07 dhjetor 2010

Weise Worte

Ich spiele mechanisch weiter und denke an Isabelle und das, was sie gesagt hat, und dann an die Beschreibung der vorchristlichen Religionen, die ich gestern abend gelesen habe. Die Götter waren damals heiter in Griechenland, sie wandelten von Wolke zu Wolke, sie waren leicht schurkisch und immer treulos und wandelbar wie die Menschen, zu denen sie gehörten. Sie waren Verkörperungen und Übertreibungen des Lebens in seiner Fülle und Grausamkeit und Unbedenklichkeit und Schönheit. Isabelle hat recht: Der bleiche Mann über mir mit dem Bart und den blutigen Gliedern ist es nicht. Zweitausend Jahre, denke ich, zweitausend Jahre, und immer ist das Leben mit Lichtern, Brunstschreien, Tod und Verzückung um die Steinbauten gewirbelt, in denen die Abbilder des blassen Sterbenden aufgerichtet waren, düster, blutig, von Millionen von Bodendieks umgeben – und bleifarben ist der Schatten der Kirchen über den Ländern gewachsen und hat die Lebensfreude erdrosselt, er hat aus Eros, dem heiteren, eine heimliche, schmutzige, sündhafte Bettgeschichte gemacht und nichts vergeben, trotz aller Predigten über Liebe und Vergebung – denn wirklich vergeben heißt, den anderen zu bestätigen, wie er ist, nicht aber Buße zu verlangen und Gefolgschaft und Unterwerfung, bevor das Ego te absolvo ausgesprochen wird.

»«

Once again, I play mechanically and think about Isabelle and the descriptions of pre-Christian religions I read last night. Back then, the Gods in Greece used to be cheerful; they'd wander from people to people; they were slightly more villainous and treacherous and flighty, like the people to whom they belonged. They were embodiments and excesses of life in all its fullness and cruelty and harmlessness and beauty. Isabelle was right: the pale man above me with his beard and bloody limbs is none of this. 'Two thousand years! Two thousand years,' I think to myself, and life—swirled with lights, mad screams, death, and ecstasy—has always bumped against the stone buildings on which somber, bloody, and surrounded by thousand of Bodendieks, have stood the images of the dying man. And the leaden shadow of the church spread across countries and smothered their vitality; it transformed Eros, the cheerful god, into a secret, dirty, sinful bedroom story, and forgave nothing, despite all the sermons about love and forgiveness; for true forgiveness is to accept another as he is—not to demand his repentance and obedience and submission before pronouncing 'Ego te absolvo.'

Erich Maria REMARQUE
Der Schwarze Obelisk

Nuk ka komente: